116 Tage im Amt – Interview mit unserem Schulleiter Herrn Herzog
Ganze 116 Tage ist unser neuer Schulleiter Andreas Herzog schon am Corvey. Es wird also Zeit, dass MyVey mal nachfragt, wie er diese Zeit erlebt hat…
Wie gefällt es Ihnen an unserer Schule?
Sehr gut! Ich bin sehr gerne hier und bin von allen extrem freundlich aufgenommen worden. Zum Beispiel von Euch Schüler:innen. Es war schön, einmal durch alle Klassen zu gehen und alle zumindest einmal kurz kennenzulernen. Auch in den vielen Gesprächen zeigt sich die Freundlichkeit, wenn hier öfter mal Schüler den Kopf reinstecken und fragen, wie es mir geht. Das Gleiche gilt für die Kolleginnen und Kollegen und auch für die Eltern. Alle haben mich total nett aufgenommen. Ich fühle mich hier sehr wohl und weiß, dass es die richtige Entscheidung war, hierher zu kommen.
Was gefällt Ihnen am Besten an unserer Schule?
Das Beste sind natürlich die Menschen hier. Wenn ich über den Schulhof gehe und Schüler mich ansprechen, mit „Herr Herzog, Sie sind doch Sportlehrer – Wann machen wir denn zusammen Sport? Werden Sie auch mal unser Sportlehrer?“ Das sind Sachen, die ich so super finde, weil die Menschen hier einfach so herzlich sind.
Und die Gespräche mit euch sind wirklich das Schönste.
Welche besonderen Ereignisse aus den ersten Wochen werden Sie besonders in Erinnerung behalten?
Wovon ich wirklich total beeindruckt war, das war die BIN am Corvey, die Berufsorientierung. Ich war ganz fasziniert, weil wirklich so viele von euren Eltern ihre Berufe vorgestellt haben, damit die Achtklässler und die Oberstufenschüler auf einer großen Messe diverse Berufe kennenlernen konnten.
Das habe ich so auch noch nicht erlebt.
Was ich auch schön finde, ist, dass die Eltern und auch die Schüler überall vertreten sind. Sei es in den Gremien oder auch diversen anderen Projekten. Das Corvey ist eine Schule, die sich Demokratie auf die Fahnen schreibt und das sieht und spürt man.
Und ein sehr positives Erlebnis war die Schülerratsreise. Ich habe den Schülerrat in Ascheberg im Schloss besucht. Dort war eine sehr gute und produktive Stimmung; das fand ich total schön.
Und haben Sie noch gar nichts Schlechtes hier erlebt?
Von der Schülerseite habe ich auf jeden Fall noch nichts Schlechtes erlebt, aber es gab Probleme mit den Bauplänen. Das hat aber nichts mit der Schule als solche zu tun.
Als wir die Baupläne für unserer Schule bekommen haben, gab es schlechte Stimmung, weil es anders war, als wir es erwartet hatten. Unsere Schule soll nicht so eine klassische alte Flurschule sein, sondern es sollen auch auf dem Flur und daneben kleine Flächen und Räume entstehen, in denen die Schüler arbeiten können. Also sogenannte Differenzierungsräume. Dadurch könnte z.B. im Unterricht besser in Gruppen oder kollaborativ gearbeitet werden.
Deswegen mussten wir ganz viel investieren, damit die Pläne so umgesetzt werden, wie wir es geplant haben.
Gibt es zur Zeit – außer bei den Bauprojekten – noch andere Probleme hier in der Schule?
Bisher noch nicht, aber ich habe von Schülern gehört, dass es keinen Basketballplatz gibt, das ist mir in allen Klassen so entgegengekommen, „Mensch, wann können wir endlich wieder Sport machen“. Es gibt auch Schüler, die wollten ganz gerne eine Hockey AG haben. Das sind so Sachen, die jetzt zunächst aufgeploppt sind.
Aber es ist ja nicht so, dass ich jetzt als Schulleiter daherkomme und sage, ich habe jetzt die Idee und verändere alles. So funktioniert das in der Demokratie nicht. Meine Idee ist nur, neue Impulse zu setzen und darüber nachzudenken, wohin sich das Corvey zum Beispiel in den nächsten Jahren entwickelt könnte.
Das sind Dinge, die ich gerne über verschiedene Kanäle mit einbringen würde, wie die Lehrerkonferenz oder die Schulkonferenz, denn das ist genau das, was mich bewegt: Ein Problem zu identifizieren und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
Konnten Sie im Kollegium schon Freundschaften schließen?
Ich denke ja. Auch wenn viel in Arbeitszusammenhängen steht, finde ich, dass eine ganz freundschaftliche Atmosphäre entstanden ist. Zum Beispiel arbeite ich ganz oft mit Frau Trowitz zusammen, weil sie mit für den Bau verantwortlich ist. Wir haben auch eine Kollegiumsfeier gemacht, wo wir mit einem kleinen Boot mit Musik und Tanz auf der Elbe herum geschippert sind. Danach haben wir uns noch mit ein paar Kollegen getroffen und das habe ich durchaus als freundschaftlich empfunden.
Das gilt auch für die Sportfachschaft; ich bin ja auch Sportlehrer. Wir haben einen kleinen Ausflug gemacht und auch da gibt es tatsächlich schon mit einigen Kollegen freundschaftliche Beziehungen.
Wie kommen sie mit den Schülern klar?
Also ich finde, dass ihr eine völlig offene Schülerschaft seid, die man jederzeit ansprechen kann und man immer ein freundliches „Hallo“ kriegt, wenn man über den Schulhof läuft. Ich bin ja Sportlehrer in der 6b. Die Schüler:innen finde ich super nett und angenehm, weil wir auch auf eine sehr offenen Art reden können und eine gute Beziehung zueinander haben. Und auch im Schülerrat kommen Schüler oft sofort zu mir und sagen: „Herr Herzog, wir haben das und das vom Bau gehört oder vom Basketballplatz und wie sieht das aus, können wir da ein bisschen mehr Gas geben, können wir das realisieren?“ Das zeigt immer, dass ihr als Schüler total engagiert seid und euch um eure Angelegenheiten in der Schule kümmern wollt. Das habe ich so auch noch nicht erlebt, dass die Schüler zu mir ins Büro kommen oder mich auf dem Schulgelände für genau solche Themen ansprechen. Alleine ihr, die sagen, wir wollen ein Interview machen, jetzt schon das zweite, dass so viel Interesse da ist finde ich halt total schön an unserer Schülerschaft.
Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit Lehrern, Schülern und Eltern bisher erlebt?
Tatsächlich sehr positiv. Beispielsweise war eine Mutter auf der Elternversammlung, die gesagt hat: „Herr Herzog, mit Bau kenne ich mich ein bisschen aus – das ist mein berufliches Umfeld.“ Dann habe ich die Mutter gleich auf unsere Ganztagskonferenz eingeladen und sie hat sich da direkt eingebracht und ganz viele wertvolle Tipps geliefert.
Oder beispielsweise, dass Eltern und Schüler immer danach suchen: Wie können wir zusammen eine Lösung finden für das, was wir eigentlich wollen? Und das ist genau das Wesen von Demokratie. Das ist ja nun eine unserer tragenden Säulen. Auch wenn zum Beispiel die Eltern aus dem Schulverein noch nebenbei unsere Schuluniformen mitverkaufen. Die Eltern sind immer überall mit dabei und die Schüler machen da in den Verkaufsständen ebenfalls mit und das ist ein ganz großes Zusammenarbeiten. Das finde ich ganz beeindruckend.
Unterrichten Sie dieses Schuljahr eines Ihrer Fächer und wenn ja welches?
Momentan unterrichte ich nur Sport und kein PGW. Das vermisse ich tatsächlich ein bisschen, weil ich auch gerne noch PGW unterrichten wollen würde. Aber momentan, jetzt im ersten Jahr, bin ich mit den zwei Stunden, die ich in der Klasse 6 habe, erstmal ganz gut aufgestellt und dann kann man mal gucken, wo die Schule im nächsten Schuljahr noch Bedarf hat. Vielleicht komme ich auch mal wieder zu PGW – da würde ich mich zumindest sehr, sehr freuen, weil ich ja nicht umsonst Lehrer geworden bin. Das macht eben auch Spaß mit euch im Unterricht zusammenzuarbeiten.
Das bedeutet, dass sie noch keine konkreten Pläne hatten, die sie schon umgesetzt haben? Es ergibt sich also noch?
Genau, ich muss ja erst einmal die Schule kennenlernen. Ich bin ja jetzt quasi erst seit knapp 100 Tagen hier, da hat man natürlich ganz viel zu tun, überhaupt erst mal mit allen Lehrerinnen und Lehrern ins Gespräch zu kommen. Das heißt im ersten Jahr muss ich viel, viel mehr von euch lernen und erfahren.
Wie funktioniert unsere Schule, was ist euch als Schülerinnen und Schülern wichtig? Ergeben sich Ansätze zu denen man dann mit Kollegium, Schülerschaft und Eltern zu gemeinsamen Lösungen kommt?
Haben Sie kein größeres Projekt, was Sie hier geplant haben? Jetzt als nächstes, was in den nächsten Wochen oder Monaten passiert?
Noch nicht, aber wir sind in Gesprächen, auch mit der Schulleitung. Schulen müssen immer sogenannte Ziel- Leistungs- Vereinbarungen machen und momentan sind wir dabei, erst mal zu identifizieren, wo denn diese Entwicklungsthemen an unserer Schule sein könnten. Wir arbeiten zum Beispiel schon an einem digitalen Klassenbuch. Ihr kennt die grünen Bücher, die wir hier immer herumschleppen, die ihr morgens im Schulbüro abholt und wieder hierherbringen müsst. Und so etwas kann man ja heutzutage alles digital gestalten.
Und dann haben wir beispielsweise die Fragen: „Wie kann unsere Pädagogik in den nächsten Jahren aussehen?“, „Wie wollen wir hier eigentlich in dem Neubau unterrichten?“. Das sind alles Anliegen, die wir jetzt erst mal identifizieren und daraus dementsprechend auch Veränderungsvorschläge machen müssen.
Was läuft an unserer Schule besser bzw. schlechter als an Ihrer vorherigen Schule?
Ich glaube es ist die Art und Weise, wie ihr euch als Schülerinnen und Schüler in schulische Prozesse einbringt. Das ist in Südamerika nicht ganz so gegeben, die machen viel und fragen viel, aber so aktiv und innovativ wie ihr, sind sie nicht immer.
Es kommen immer wieder Schüler zu mir und sagen, wie weit sind wir gerade in der Planung mit dem Basketballkorb? Haben wir da schon den nächsten Schritt hinbekommen? Passiert da etwas? Und dann berichte ich immer, auch im Schülerrat, über den neuesten Stand. Das sind zum Beispiel Sachen, die her deutlich besser laufen als an meiner alten Schule. Was hier schlechter läuft, weiß ich gar nicht so genau. An meiner alten Schule wurde sehr viel gefeiert.
Zum Beispiel in den großen Pausen, dort ist immer schönes und sonniges Wetter. Die Musiklehrer gehen in den Pausen raus, stellen draußen ihre Keybords und Instrumente auf und dann treffen sich da ganz viele Schülerinnen und Schüler und singen und tanzen mit den Kollegen zusammen und diese Art von Zusammenleben finde ich sehr einzigartig. Da könnte man sich hier vielleicht etwas abschauen.
Was haben Sie an deutschen Schulen vermisst?
Ja, tatsächlich so ein bisschen die Struktur und auch, dass man das macht, was man verabredet hat.
In Südamerika ist das alles immer so ein bisschen organischer. So, dann sagt man, na ja, das ist eine gute Idee, das machen wir und dann wird immer was ganz anderes daraus. In Südamerika spürt man die emotionale Seite deutlich stärker. Das ist sehr angenehm auf der einen Seite, erschwert aber die Kommunikation auf der anderen Seite etwas. Das ist hier in Deutschland kulturell wieder etwas vertrauter und einfacher.
Sie haben sicherlich mitbekommen, dass ihre Vorgängerin nicht lange da war. Was machen sie bewusst anders?
Das weiß ich gar nicht, dass müsst ihr beurteilen, weil ich meine Vorgängerin nie kennengelernt habe.
Zum einen, frage ich tatsächlich gar nicht nach und zum anderen wird da gar nicht so viel erzählt. Aber manchmal frage ich, wie bisher eine bestimmte Sache an der Schule gemacht worden ist und mir wird erklärt, wie Frau Schmedemann oder Herr Krümel vorgegangen sind. Aber da gibt es keine Bewertung im Sinne von was ist gut oder was ist schlecht. Da muss man seinen eigenen Weg finden.
Ich mache die Dinge so, wie ich als Andreas Herzog bin. Meine Herangehensweisen mit Kollegen ins Gespräch zu kommen; zuzuhören, sich dafür zu interessieren, was die Kollegen eigentlich machen wollen und auch genau das Vertrauen dafür auszusprechen, wenn es in den Gesamtkontext der Schule passt.
Und wenn die Vorgehensweise nicht ganz so weit weg von dem ist, was die Schule kennt, ist das grundsätzlich schon mal gut. Ich denke, man muss die vorhandenen Dinge erst kennen lernen und wertschätzen und nicht alles im ersten Jahr komplett verändern.
Ob das jetzt anders ist, als das, was meine Vorgängerin gemacht hat, das könnt ihr besser beurteilen, als ich das kann.
Wie stellen Sie sich unsere Schule in fünf Jahren vor?
Mein persönlicher Ansatz ist immer die Frage, wie können wir Schule so organisieren, sodass wir euch auf eure Zukunft und nicht auf unsere Vergangenheit vorbereiten. Dafür muss man überlegen, wie man eigentlich schulische Konzepte oder Pädagogik verändert und wie man das Lernen in der Digitalität noch anders für euch gestalten kann. Es gibt da so ein schönes Beispiel von einem Kompass.
Ein Kompass hilft einem ja in der Gegend, die man nicht kennt, sich orientieren zu können und damit im Unbekannten zu navigieren. Das ist so die Grundidee. Wie schaffen wir es als Schule, euch so einen Kompass an die Hand zu geben, mit dem ihr euch in einer Zukunft, die ihr noch gar nicht kennt, gut orientieren könnt. Und dazu gehört eben noch mehr als nur das reine Fachwissen in einem speziellen Fach. Welche sozialen Kompetenzen bringt ihr mit, könnt ihr kritisch denken, wie könnt ihr mit Konflikten umgehen, wie könnt ihr mit anderen Schülerinnen und Schülern zusammen kooperieren, oder wie könnt ihr Verantwortung übernehmen oder Gruppenarbeiten anders gestalten. Wenn ich an die schulische Entwicklung denke, dann denke ich daran, dass wir in fünf Jahren noch selbstständiger arbeiten und die neuen Formen des Unterrichts weiterentwickelt haben.
Das muss man natürlich mit den anderen Kolleginnen, Kollegen, mit euren Eltern und natürlich auch vor allem mit euch besprechen.
Dankeschön.
Vielen Dank an euch.