Selbstexperiment: Analoge Woche
Handys, Tablets und Computer sind ein großer Bestandteil des modernen Alltags. Vielen ist dabei gar nicht bewusst seit was für einer kurzen Zeit dies im Anbetracht unserer Geschichte so ist. Wie abhängig wir von Ihnen sind, wird einem erst bewusst, wenn man sich die Frage stellt: Wie lange könnte ich ohne sie? Genau das hat unsere Klasse vor den Winterferien getan und heraus kamen die unterschiedlichsten Antworten im Zeitraum von einem Tag bis zu einem Monat. „Doch große Reden schwingen kann jeder; wieso dann nicht beweisen“, hatte ich gedacht und die Idee der analogen Woche war in die Welt gesetzt. Als Zeitraum wählte ich die letzten sieben Tage vor den Winterferien, weil wir hier keine Arbeiten mehr schreiben würden. Dann war der schicksalhafte Mittwochabend gekommen, ich packte Handy, Laptop und diverse Kabel in eine Tasche, die ich dann in einer Schublade verstaute und versprach, diese für die nächsten sieben Tage nicht zu öffnen.
Tag Eins (Donnerstag, 16.12.)
Der Tag begann nicht großartig andern als sonst auch, ich stand auf, frühstückte schnell und packte meinen Ranzen und machte mich auf den Weg in die Schule. Auch die Schule lief, mit Ausnahme dessen, dass ich nie wusste wie spät es war, hauptsächlich normal. Dann, um 13:20 Uhr machte ich mich auf den Heimweg. Zuhause machte ich mir etwas zu essen und setzte mich in mein Zimmer.
Tik Tak, Tik Tak
Nachdem ich ein paar Minuten der Uhr gelauscht hatte, setzte ich mich an meinen Schreibtisch und begann eine To-Do-Liste mit allen möglichen Aktivitäten, mit denen ich mir in der nächsten Woche die Zeit vertreiben könnte, zu erstellen. Ich beschloss vorerst, meinen Schrank zu entrümpeln, was eigentlich schon länger fällig gewesen war. Tatsächlich fand ich einige interessante Sachen, darunter ein Taschenmesser, eine Mundharmonika und meine alte Armbanduhr. Da ich mir immer Beschäftigungen suchte, war mir eigentlich nicht langweilig, doch die Zeit schien einfach sehr viel langsamer zu laufen. Wann immer ich mit einer Aktivität fertig war, gab es diese kleinen Pausen in denen ich nur dasaß und überlegte, was ich als nächstes tun könnte. Normalerweise hätte ich wohl zum Handy gegriffen, Nachrichten gecheckt, ein Video geguckt. Nun blieb mir nur, aus dem Fenster zu blicken und dem Ticken der Uhr zuzuhören. Als ich dann, eine Viertelstunde früher als sonst, schlafen ging, war ich ziemlich erschöpft.
Tag 2 (Freitag, 17.12)
Am Morgen von Tag 2 war ich tatsächlich motiviert, weil ich mich ausgeschlafen hatte und mich sogar ein wenig auf die Schule freute. Diesmal nahm ich die Armbanduhr mit, die ich am Tag zuvor im Schrank gefunden hatte. Nach der Schule machte ich einen kleinen Umweg durch den Park und sammelte ein Stück Holz auf, denn ich hatte beschlossen, in der Woche etwas mit dm Taschenmesser zu schnitzen. Der Freitag verging definitiv schneller, vielleicht, weil ich noch Schlagzeugunterricht hatte, vielleicht, weil ich mich schon ein bisschen gewöhnt hatte. Tatsächlich ging ich aber, obwohl morgen ja Wochenende wäre, früher zu Bett.
Tag 3 (Samstag, 18.12.)
Obwohl ich schon relativ früh aufwachte, blieb ich noch etwa zwei Stunden im Bett und las. Später kam noch Besuch und ich musste in der Stadt noch Weihnachtsgeschenke kaufen, den Rest des Tages las ich entweder oder schnitzte mir aus dem am Freitag gesammelten Holz einen eigenen Würfel. Über das Wochenende hatte ich mir eigentlich die größten Sorgen gemacht, denn es gab keine Schule, die mich ablenken könnte. Obwohl ich dann am Samstag doch relativ viel zu tun hatte, wurde mir gerade am Abend etwas langweilig.
Tag 4 (Sonntag, 18. 12.)
Den Sonntagmorgen verbrachte ich, wie bereits am Tag zuvor, hauptsächlich im Bett. Nach dem Frühstück verabredete ich mich, da ich ja keine WhatsApp-Nachricht schreiben konnte, übers Festnetztelefon mit einem Freund und war erst zum Abendessen wieder da. Am Abend war ich ziemlich erschöpft, denn während der gesamten Woche verlief die Zeit viel langsamer, was natürlich auch mit einer größeren Anstrengung verbunden ist. Es ist so einfach, seine Umgebung, die Zeit, sich selbst zu vergessen, wenn man eine Serie oder ein Video schaut, Tiktoks oder Instagram-Storys anguckt oder ein Videospiel spielt. Deswegen war am Sonntag der Wunsch, die Schublade zu öffnen und einfach abzuschalten besonders groß. Stattdessen las ich und ertappe mich dabei mehrmals, wie ich minutenlang in Gedanken versunken in die Leere starrte. Viel anderes hatte ich auch nicht zu tun; der Würfel war, obwohl das Holz eigentlich viel zu hart zum Schnitzen war, fertig geschnitzt, das Zimmer aufgeräumt und mein Ranzen, wie sonst nie am Abend, schon gepackt.
Tag 5 (Montag, 20.12.)
Am Montag war ich so froh wie wahrscheinlich nie zuvor, in die Schule gehen zu dürfen und dann auch noch langen Tag zu haben. Obwohl der restliche Tag damit so kurz wie noch nie war, war mir trotzdem langweilig. Ich begann mein zweites Schnitzprojekt, ein 3D Haus des Nikolaus und übte Schlagzeug, doch die Luft war nach fünf Tagen schlicht und einfach raus.
An allen anderen Tagen bisher hatte ich das Gefühl, wenigstens eine Art wertvolle Erfahrung zu machen, jetzt war ich mit der Situation mehr oder weniger vertraut und es fühlte sich an, als machte ich das Experiment nur noch, um einen Haken dahinter zu setzen.
Tag 6 (Dienstag, 21.12.)
Der Dienstag in der Schule war sehr entspannt; es war der Tag, an dem die Oberstufe die kostenlosen Waffeln verteilte und im Unterricht schauten wir, wie für die Tage vor den Ferien üblich, diverse Filme. Nachmittags stellte ich dann das Haus des Nikolaus fertig, spielte eine Partie Schach mit mir selbst und las mal wieder. Während des Experiments habe ich vermutlich so viel gelesen wie seit langem nicht und mein Buch war tatsächlich am Donnerstag, einen Tag nach Ende des Selbstversuches, durchgelesen. Ich war sehr gespannt auf den kommenden Tag, denn nicht nur war Mittwoch der letzte Tag vor den Ferien sondern auch der letzte Tag meines Selbstexperiments.
Tag 7 (Mittwoch, 22.12.)
Da es der letzte Schultag war, durften wir Mittwoch schon um 11:30 Uhr nach Hause gehen. Während alle anderen fröhlich nach Hause gingen, hatte sich bei mir noch kein Gefühl von Ferien breit gemacht. Ich wusste, dass für mich erst wirklich Ferien wären, wenn ich meine analoge Woche abgeschlossen hätte. Erstmal hieß es für mich also noch aushalten, doch gleichzeitig auch über die sieben Tage nachdenken und rekapitulieren. Ich schrieb am Mittwoch, nur auf Papier, versteht sich, einen großen Teil des Berichts, den ihr gerade lest, stöberte in alten Schulmappen von mir und ließ den Tag verstreichen, bis ich mich , diesmal etwas später als in den übrigen sechs Tagen, ins Bett legte.
Zusammenfassung
Rückblickend auf die analoge Woche kann ich sagen, dass sie sich definitiv gelohnt hat. Es mag im Moment vielleicht nicht schön sein, auf Handy, Tablet oder Laptop zu verzichten, doch unser Leben ist lang genug, um ihre Vorzüge auszukosten, niemand wird auf dem Sterbebett sagen: „Wäre ich doch mehr am Handy gewesen!“. Eine analoge Woche mag für den einen mehr, den anderen weniger wertvolle Erfahrungen bieten, schaden wird sie jedenfalls niemanden. Mir persönlich fällt es schwer, meinen Umgang mit digitalen Medien langsam und nachhaltig zu reduzieren. So abstrus es klingen mag, es ist viel schwieriger sich vorzunehmen, ein, zwei Stunden weniger am Tag am Handy zu sein, als jedes Gerät für sieben Tage in eine Schublade zu schließen. Während der sieben Tage ist mir aufgefallen, dass mir tatsächlich manchmal etwas entgeht, ich meine Zeit manchmal sinnvoller nutzen könnte. Es ist mir aber auch aufgefallen, dass digitale Medien manchmal nicht schaden, es ganz schön ist, einfach mal abzuschalten. Gerade die letzten drei Tage fand ich eigentlich recht unnötig, hielt sie nur durch um des Experimentes Willen. Wer also selbst mal eine digitale Auszeit versuchen will: Vier Tage reichen für die Erfahrung absolut aus. Ich für meinen Teil habe mir während meiner analogen Woche vorgenommen, auch in Zukunft alle paar Monate für ein, zwei Tage die Geräte aus zu lassen. Ob sich das bestätigt oder ich meinen Neujahrsvorsatz wieder vergesse, kann nur die Zukunft zeigen.