Fühl dich nicht schlecht, weil du dich schlecht fühlst

Dieser Artikel ist nicht einer von diesen, der dir hundert neue Tipps gibt, wie du dich besser fühlst oder glücklicher wirst. Davon gibt es schon genug.
„Wie du lernst, dich selbst zu lieben“, „Entspannung statt Stress: So werden Sie ausgeglichener“ oder „Lebe den Moment“.
Natürlich ist per se nichts an diesen Tipps auszusetzen.
Doch die ganze „Selbstoptimierungskultur“ hat auch ihre Schattenseiten. Gut lässt sich dieser vermeintliche Trend an Social Media erkennen. Hashtags wie #bodypositivity ermutigen einen dazu, zufrieden mit seinem Körper zu sein. Aber Achtung: Wehe du bist es nicht! Dann bist du ein schlechtes Vorbild.
Ständig kommen von allen Seiten Ratschläge, wie man sich und sein Leben verbessern kann. Unter den Bestsellern auf Amazon sind momentan Titel wie „Ich kann das: Eine Geschichte über die drei Worte, die unser Leben verändern“ (Platz 2), „Abnehmen garantiert: In 5 Schritten zum gesunden dauerhaften Wunschgewicht“ (Platz 28), „Die Gesetze der Gewinner: Erfolg und ein erfülltes Leben“ (Platz 42), und „365 Low-Carb-Rezepte: Low Carb Rezepte für ein ganzes Jahr“ (Platz 43) (Stand 07.03.2021). Sich selbst zu verbessern ist nicht mehr nur ein Trend in den Hashtags bei der jungen Generation. „Selbstoptimierung“ ist längst anerkannter Teil unserer schnellen Gesellschaft geworden.
Und hier liegt das Problem: Du fängst an, jede freie Sekunde für irgendetwas zu nutzen und fühlst dich schlecht, wenn du mal nichts tut. Und dann fühlst du dich schlecht, weil du dich schlecht fühlst. Alle diese Artikel, die einem Tipps geben wollen, legen damit auch gleichzeitig die Verantwortung in unsere Hände: Wenn ich mich schlecht fühle, muss es ja daran liegen, dass ich mich nicht genug selbst liebe oder zu unausgeglichen bin.
Aber es ist wichtig, dass wir uns auch mal zugestehen können, dass es uns nicht so gut geht, dass wir heute einen faulen Tag auf der Couch verbracht haben und dass das auch vollkommen in Ordnung ist. Man muss nicht immer #positive sein.

Genau hier setzt auch eine neuere Form der Psychotherapie, genannt „Act“ (Akzeptanz- und Commitment- Therapie), an. Dies ist die Erweiterung der klassischen KVT (Kognitive Verhaltenstherapie).
Das Ziel von der KVT ist es, seine Gedanken zu kontrollieren. Dafür werden Vermeidungsverhalten und Durchhaltestrategien bevorzugt. Wenn man zum Beispiel nicht schlafen kann, weil man Schulstress hat, lernt man in der KVT aktiv den Stress zu beseitigen oder in positive Gefühle umzuwandeln. Auf die Schule bezogen könnte man sich sagen, dass schlechte Noten nicht so schlimm sind oder das man sich darauf freuen kann, mit seinen Freunden lernen zu können und Spaß zu haben.
Bei „Act“ dagegen geht es eher darum zu akzeptieren, dass Schule manchmal stressig ist. Wenn einem der Schulstress den Schlaf raubt lernt man, Gedanken auch rein als solche zu betrachten und nicht zuzulassen, dass sie einen einnehmen („kognitive Fusion“).
Die Akzeptanz von schlechten Tagen hilft, sich nicht immer so unter Druck zu setzen. Manchmal geht Stress einfach nicht weg, da helfen positive Gedanken auch nicht.

Was hat das Ganze jetzt mit #bodypositivity und Low-Carb Rezepten zu tun? Anstatt zu sagen „ich darf mich nicht schlecht fühlen, ich muss sofort etwas dagegen unternehmen“, kann man die schlechten Gedanken einfach mal akzeptieren und ihnen keine Macht geben, bis man dazu bereit ist, sich darum zu kümmern.

Wenn ich so darüber nachdenke, ist es am Ende doch ein Artikel mit Tipps darüber geworden, wie man sich besser fühlt. Das müsst ihr wohl einfach akzeptieren.