„Ein Land ohne Krieg“
Von Karla Kolumna
In Syrien war Rosa friedliche politische Aktivistin, gegen den damaligen Präsidenten Alassad. Mit ihrem damals zehnjährigen Sohn ist sie wegen des Krieges durch die Berge geflüchtet. Sie durfte, dank einer Einladung der deutschen Heinrich-Böll-Stiftung, ab dem Libanon legal herfliegen. Es war eine Chance für sie, die sie ergriffen hat. Rosa hat Architektur studiert, arbeitet jedoch als Schriftstellerin. Jetzt lebt die 44-Jährige seit sechseinhalb Jahren in Deutschland.
Warum genau musstest du nach Deutschland kommen?
Es war eine gute Chance, ein Land gefunden zu haben, das uns akzeptiert hat und uns die Türen öffnet. Nicht alle europäischen Länder haben das getan. Die Syrer, die in anderen Ländern waren, hatten sehr schlechte Situationen. In den Nachbarländern Jordanien, Irak oder Türkei ist das bis heute so. Wir hatten im März 2011 eine Revolution in Syrien, die sich zu einem Krieg entwickelt hat, deswegen war die Situation für alle Syrer sehr gefährlich, insbesondere für Oppositionelle und all die Leute, die gegen Präsident Assad und sein Regime waren.
Und wie bist du hergekommen?
Wir hatten Glück,denn andere sind getötet worden oder im Mittelmeer ertrunken. (denkt nach) Aber gefährlich war die Reise von unserem Wohnort Damaskus und Libanon, weil ich gesucht wurde und keine Papiere hatte.
Hattest du auf der Flucht Angst?
Ja, sehr viel. Das Regime hätte uns z.B. verhaften können. Aber ich hatte nicht Angst um mich, sondern um meinen Sohn. Von Beirut an war es eine andere Art von Angst: die Ungewissheit. Ich wusste nicht, was passieren wird. Das war nicht einfach.
Was ist der erste Unterschied, der dir aufgefallen ist?
Ein Land ohne Krieg. Keine Helikoptergeräusche, keine Bombardierung, kein Brandgeruch. Aber ich konnte diese Angst nicht einfach hinter mir lassen. Ich erschrecke mich bis heute, wenn ich z.B.eine laute Stimme höre oder ein Hubschrauber tief fliegt.
Du bist traumatisiert?
Natürlich. Auch die Kultur ist sehr unterschiedlich, das System, die Gesellschaft, die Beziehungen zwischen den Menschen. Und die Sprache: Sie ist sehr seltsam. Wir lernen in der Schule neben Arabisch auch Englisch und Französisch. Deutsch ist ganz anders. Aber genauso wie die arabische Kultur bunt und durchmischt ist, ist es auch die deutsche. Man kann sich mit Menschen zusammentun, die wie ich sehr offen, ein bisschen links sind, ein sehr gutes Herz haben. Sie schauen nicht nur auf die Nationalität , sondern sie sehen, was in den Menschen ist. Solche Leute habe ich in Deutschland zum Glück viele gefunden.
Bist du in Deutschland glücklich, oder vermisst du deine Heimat sehr?
Mal so, mal so. Glück ist nichts Stabiles. Wichtig ist, dass mein Sohn in Sicherheit ist und hier eine Zukunft hat. Das macht mich glücklich. Wenn du einmal später Mutter bist, kannst du das nachfühlen. Heimweh kommt und geht. Am Anfang war es viel stärker, jetzt ist es besser. Inzwischen ist Hamburg meine zweite Heimat. Ich fühle mich nicht zu hundert Prozent zu Hause, aber eigentlich liebe ich Hamburg.
Was sind die größten Schwierigkeiten für Migranten in Deutschland?
Es gibt nicht die eine Art von Migranten oder Flüchtlingen – wobei Geflüchtete das bessere Wort dafür ist. Einige können sich schnell integrieren und Arbeit finden, andere fühlen sich hier nicht richtig zu Hause. Für mich war es nicht einfach, das Heimweh war sehr groß. Ich war in Syrien politisch sehr aktiv, hier konnte ich das nicht richtig fortführen. Ich fühlte mich kraft- und machtlos in einem fremden Land. Auch die Sprache war sehr schwierig. Und ich habe meine Freunde sehr vermisst. Aber mit der Zeit wurde es besser.
Hast du Angst vor dem zunehmenden Rechtsextremismus in Deutschland?
In Hamburg ist es nicht so spürbar, deswegen liebe ich Hamburg. Es gibt eine starke Zivilgesellschaft. Aber ich habe trotzdem immer Angst vor den extremen Rechten. Auch der IS, die Islamisten, ist sehr rechts. Ich hoffe, dass die Rechtsextremen nicht noch stärker werden. Das ist gefährlich – nicht nur für die Geflüchteten, sondern auch für die Deutschen. Sie haben im Zweiten Weltkrieg für den Faschismus und den Hass bezahlt. Es wäre eine Katastrophe, wenn sich die deutsche Geschichte wiederholen würde.